Was ist Narzissmus? Interview mit Dr. Bärbel Wardetzki

von | Stand: 2. Jan 2022

Was ist eigentlich Narzissmus und welche Missverständnisse gibt es rund um das Thema narzisstisches Verhalten? Diese Frage kläre ich im Interview mit der Psychologin und Expertin Dr. Bärbel Wardetzki.

Über Dr. Bärbel Wardetzki

Dr. Bärbel Wardetzki ist Psychotherapeutin und Expertin für Narzissmus. Sie arbeitet darüber hinaus als Supervisorin, Coach, Referentin – und ist Autorin von Sachbüchern. Sie hat sehr lange in der klinischen Forschung gearbeitet – nicht nur zu Narzissmus allgemein, sondern speziell zum weiblichen Narzissmus.

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Definition von Narzissmus

Chris: Ich würde gerne die Definition von Narzissmus klären, da ich glaube, dass der Begriff heutzutage missbräuchlich verwendet wird und Menschen zu schnell als “Narzisst” bezeichnet werden. Narzissmus ist eine tatsächliche Störung. Er ist im ICD 10 aufgeführt, der Internationalen Klassifikation für Erkrankungen – und wird von Ärzten diagnostiziert. Gleichzeitig werden ganz viele Narzissten nie diagnostiziert. Was bedeutet Narzissmus und wie definierst du diesen?

Dr. Wardetzki: Narzissmus ist an sich etwas ganz normal Menschliches, weil narzisstisch zu sein unsere Selbstliebe und unseren Selbstwert betrifft. Wir alle haben ein Selbstwertgefühl und müssen jeden Tag unseren Selbstwert immer neu austarieren. Unser Selbstwertgefühl kann stetig sinken aber auch wieder wachsen. Wir müssen immer wieder fähig sein, uns selbst auszubalancieren. Das ist genau die Fähigkeit, die Menschen mit einer narzisstischen Struktur leider nicht haben. 

Das, was wir Narzissmus nennen, bedeutet also das Fehlen von Selbstwert und Selbstliebe.

Mehr zum Thema findest du hier: Selbstliebe lernen

Narzisstische Menschen haben meist ein verletztes Selbstwertgefühl und haben sich deshalb eine narzisstische Fassade aufgebaut. Sie schützen sich selbst, indem sie sich “größer” darstellen, weil sie verletzbar in ihrem eigenen Selbstwertgefühl sind. 

Sind alle Menschen narzisstisch?

Chris: Also in jedem Menschen stecken womöglich narzisstische Anteile. 

Dr. Wardetzki: Genau, denn jeder oder jede von uns muss sich mit dem eigenen Selbstwertgefühl auseinandersetzen. Es ist ein normales Grundbedürfnis des Menschen, den eigenen Selbstwert zu stärken. Wenn ich jedoch eine narzisstische Struktur habe, dann fällt es mir umso schwerer, meinen Wert aus mir selbst heraus zu erkennen und aufzubauen. Dann brauche ich immer die Bestätigung und die Anerkennung im Außen, damit mein Selbstwert aufgebaut wird. Dieser wird aber nicht langfristig gestärkt, denn narzisstische Menschen brauchen immer wieder Bestätigung und Anerkennung für den Erhalt ihres Selbstwertgefühls. Es gelingt ihnen nicht, diesen aus sich selbst heraus zu kultivieren. 

Es ist wichtig zu verstehen, dass Narzissmus nicht schwarz-weiß ist und verschiedene Ausprägungen haben kann. Angefangen bei geringen narzisstischen Anteilen (auch positiver Narzissmus genannt) bis hin zur narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist das, was letztendlich diagnostiziert wird, jedoch nicht weit verbreitet ist. Das sind nur ein bis drei Prozent der Menschen. Alle anderen Narzisstischen Strukturen oder Anteile sind unterschiedlich stark ausgeprägt. 

Es gibt Menschen mit deutlich höheren narzisstischen Anteilen und je nachdem wie hoch diese sind, kann der Umgang damit leichter oder schwerer für die Betroffenen sein. Problematisch wird es bei Menschen, die tatsächlich eine narzisstische Persönlichkeitsstörung aufweisen.

Chris: Wie entsteht diese Persönlichkeitsstörung? Werden wir mit dieser Persönlichkeitsstörung geboren oder führt ein traumatisches Erlebnis in der Kindheit dazu? 

Dr. Wardetzki: Es ist immer eine Mischung aus genetischer Vorinformation, physiologischen Prozessen und unseren Erfahrungen im Zweierkontakt mit anderen Menschen. Narzisst*innen sind Menschen, die eigentlich als relativ sensitiv auf die Welt kommen. Sie nehmen die Welt und ihr Umfeld sehr sensibel wahr. Im Kindheitsalter lernen sie, sich stark an das Umfeld anzupassen, da sie schon als Kinder meist eine narzisstische Funktion für ihre Eltern erfüllen müssen. 

Ich vergleiche es mit dem Märchen Schneewittchen. Da heißt es: “Ach, hätte ich doch ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie Ebenholz.” Das Beispiel verdeutlicht, dass das Kind zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal gezeugt ist, aber das Bild, wie es im Idealfall zu sein hat, schon besteht. Das Kind entwickelt dann die Fähigkeit, sich an die Erwartungen der Eltern anzupassen. Es lernt, sich genau so zu zeigen, damit seine Eltern ihr narzisstisches Gleichgewicht behalten. 

Die entscheidende Frage ist dann, inwieweit das Kind anders sein darf als die Vorstellung der Eltern? Darf es gelb-kariert sein oder muss es schwarz-weiß-rot sein? Macht das Kind die Erfahrung, nicht anders sein zu dürfen, wird es irgendwann eine schwarz-weiß-rote Fassade entwickeln und diese der Welt nach außen hin präsentieren. Wer das Kind in seinem Kern wirklich ist, wird es jedoch verstecken.

In der Psychologie wird vermutet, dass gerade die narzisstische Persönlichkeitsstörung möglicherweise auch einen hohen Anteil an genetischer Bedingtheit hat. Aber auch das ist variierbar und mit Vorsicht zu betrachten. Je nachdem, wie die Umwelt auf die Genetik reagiert, verändert sich auch wiederum die Genetik. Das nennen wir Epigenetik. Unsere Gene verändern sich permanent durch bestimmte Eigenschaften, durch bestimmte Umgebungsfaktoren und durch bestimmte Beziehungsmuster.

Mehr zum Thema findest du hier: Verhaltensmuster erkennen

Von daher ist es zweiseitig zu betrachten. Nach meiner Erfahrung, ist eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, sowohl therapeutisch als auch im privaten Bereich, schwer zu überwinden. Es bleibt oft ein Restanteil an Narzissmus vorhanden. Dies kann ein Anteil sein, der psychotherapeutisch vielleicht nicht beeinflussbar ist. Ich bin allerdings vorsichtig mit diesen Aussagen, weil das Leben viel facettenreicher und komplexer als unsere Theorien ist.

Ausprägungen von Narzissmus (weiblich und männlich)

Chris: Welche Typen oder Ausprägungen von Narzissmus gibt es? Neben dem männlichen erwähntest du auch den weiblichen Narzissmus. Du forschst dazu. Wie verbreitet sind die unterschiedlichen Ausprägungen?

Dr. Wardetzki: Das ist schwer zu beantworten, da es sich nicht diagnostizieren lässt. Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung kann nicht diagnostiziert werden. Man kann nur aus dem Verhalten des Menschen Schlüsse ziehen. An der Art und Weise des Verhaltens und des zwischenmenschlichen Umgangs kann man bestimmte Kriterien erkennen. 

Der Grundunterschied zwischen männlichem und weiblichem Narzissmus (wobei die Begriffe nicht unproblematisch sind) ist, dass die eher männlich-narzisstisch-strukturierten Menschen, hauptsächlich in dem Gefühl der Grandiosität verwurzelt sind. Diese Menschen haben ihre verletzten Anteile versteckt und sich nach außen hin als “größer” und unantastbar präsentiert.

Die sogenannten weiblichen Narzisstinnen sind Komplementärnarzisstinnen, die mehr in dem Gefühl von “Ich bin nicht gut genug” verwurzelt sind. Sie stellen sich oftmals in Frage und leiden unter vielen Selbstzweifeln und einem geringen Selbstwertgefühl. Sie versuchen aus diesem Gefühl herauszukommen, in dem sie einen hohen Perfektionismus anstreben, Leistung erbringen, besonders gut aussehen, wahnsinnig schlank sind und eine perfekte Freundin und Ehefrau darstellen.

Die Grundorientierung dieser narzisstischen Struktur ist das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Die “Grandiosen”, die männlich-narzisstisch-Orientierten spüren das gar nicht mehr. Sie haben diesen Anteil zwar auch in sich, lehnen ihn aber ab und vermeiden den Kontakt mit diesem Anteil. Aus diesem Grund funktionieren Beziehungen auch anfangs gut zwischen weiblichen und männlichen Narzisstinnen, weil “der Grandiose” sein Minderwertigkeitsgefühl auf die Partnerin projizieren kann. Auf der anderen Seite zieht der weibliche Narzissmus seinen Selbstwert aus dem männlichen Narzissmus. Anfangs funktioniert das gut. 

Wie sind Narzissten in Beziehungen?

Chris: Wie finden sich die beiden Pole – eine weibliche Narzisstin und ein männlicher Narzisst? 

Dr. Wardetzki: Sie treffen aufeinander und kommen schnell in eine Beziehung. Das ist ein Konzept, das Jürg Willi (Familientherapeut oder Paartherapeut) in den 70er Jahren schon festgestellt hat. Er hat es “Narzisst und Komplementärnarzisst” genannt.

Wir können den Begriffen “männlich”  und “weiblich” auch die Begriffe “grandioser Narzisst” und eher “depressiver Narzisst” zuordnen . Es kann auch “offener Narzissmus” und “verdeckter Narzissmus” genannt werden. 

Ich habe ein Buch zum Thema “Weiblicher Narzissmus” Anfang der 90er Jahre geschrieben. Zu dem damaligen Zeitpunkt wurde Narzissmus nur im Rahmen von Männern diskutiert und keiner kam auf die Idee, dass auch Frauen eine narzisstische Struktur haben, die sich jedoch anders äußert als bei Männern. Deshalb haben wir den Begriff des “weiblichen Narzissmus” eingeführt. 

Es gibt aber auch Männer mit dieser weiblich-narzisstischen Struktur. Diese sind nicht in der Grandiosität verwurzelt, sondern im Gefühl, minderwertig zu sein. Die suchen sich dann meist eine grandios-narzisstisch-strukturierte Frau und somit sind die Begriffe weit gefächert. Dass mehr Frauen den weiblichen Narzissmus bedienen und mehr Männer den sogenannten männlichen, ist jedoch eine Tatsache.

Ist Narzissmus heilbar?

Chris: Besteht eigentlich die Möglichkeit, Narzissmus zu heilen? Oder kann man nur lernen, besser damit umzugehen?

Dr. Wardetzki: Die narzisstische Persönlichkeitsstörung ist schwieriger gänzlich zu überwinden. Es gibt aber Lösungen. Oftmals sind es einschneidende Erlebnisse, die Narzissten dazu bewegen, das Problem zu erkennen und in die Veränderung zu gehen. 

Wenn viele narzisstische Stabilisatoren zusammenbrechen, die den Selbstwert bestimmt haben, wie zum Beispiel von der Frau verlassen zu werden oder den Job zu verlieren. In solchen Momenten fühlt man sich hilflos und das narzisstisches System bricht zusammen. Die Karriere, Familie, Statussymbol, Geld, Macht, Einfluss sind alles Faktoren, die natürlich unseren Selbstwert stärken. Wenn diese wegfallen, steht man vor der narzisstischen Krise und fragt sich, was von einem noch übrig bleibt. 

In dieser Krise spüren die Betroffenen, dass etwas problematisch ist und sie Veränderung und Unterstützung brauchen. In solchen Momenten kann therapeutische Arbeit helfen. 

Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Wird einem Narzissten vorgeschlagen oder geraten ins Coaching zu gehen, kann dieser seinen Narzissmus auch im Coaching ausdrücken. Er kann im Coaching glänzen und eine Fassade aufziehen und dann ist das Ganze natürlich zwecklos. 

Die innere und aufrichtige Bereitschaft des oder der Narzisst*in ist entscheidend, um Veränderung zu erzielen. Meist geschieht das aus der Einsicht und dem Gefühl, nicht glücklich zu sein.

Chris: Der Wunsch endlich glücklich zu sein, betrifft natürlich uns alle und jede Ausprägung des Narzissmus. Eine Frau mit einer Essstörung geht vielleicht auch erst in Therapie, wenn sie kurz vor dem Zusammenbruch oder Tod steht. Wir machen alle so lange weiter, bis es nicht mehr möglich ist. Das ist menschlich. 

In dem Moment, indem wir wahrnehmen, dass unser Leben aus den Fugen gerät,  erklären wir uns bereit, in die Veränderung zu gehen. 

Dr. Wardetzki: Es kommt natürlich auch darauf an, inwieweit jemand bereit ist, seinen Narzissmus zu integrieren. Es geht nicht darum, ihn aufzugeben, sondern zu lernen, ihn zu integrieren und positiv für sich zu nutzen. Narzissmus ansich ist nicht schlecht. Narzissmus kann sehr positiv sein. Es ist nur die Frage, wie wir ihn ausleben, für was wir ihn nutzen, wie wir ihn integrieren und positiv transformieren.

Kann Narzissmus auch positiv sein?

Chris: Narzissmus hat also positive Seiten und kann auch in etwas Positives transformiert werden, wenn man einen Zugang dazu hat.

Dr. Wardetzki: Es gibt sehr viele positive Seiten. Zum Beispiel sind narzisstische Menschen meist sehr klug, leistungsfähig und mutig. Strebsamkeit und Leistungsfähigkeit sind bis zu einem gewissen Grad gut. Beginnt man jedoch ohne Rücksicht über Leichen zu gehen und in Diskussionen anderen Menschen keine Chance für Meinungen und Argumente einzuräumen, dann wird es problematisch. Somit ist es manchmal eine Gratwanderung.

Wichtig ist, dass wir anerkennen, dass Narzissmus nicht per se schlecht ist. Er wird weniger destruktiv, wenn wir diese Anteile ins uns annehmen, integrieren und lernen, mit ihnen umzugehen. 

Chris:  Das heißt, es ist entscheidend, mehr Zugang zu seinen eigenen Anteilen zu bekommen, die narzisstisch sind. Wahrscheinlich steckt in jedem und jeder von uns ein Narzisst oder eine Narzisstin.

Dr. Wardetzki: Wir sollten vorsichtig sein mit der Begrifflichkeit. Es steckt nicht in jedem von uns ein Narzisst, sondern wir haben alle narzisstische Anteile. Der Unterschied liegt darin, dass wir in Schubladen denken, wenn wir uns als Narzisst oder Narzisstin definieren. Und aus dieser Schublade können wir uns schwer befreien. Wir vermeiden dies, wenn wir uns eingestehen, dass wir stattdessen einige narzisstische Anteile, vielleicht auch zu viele haben. 

In den letzten 60 Jahren hat sich einiges verändert. Früher hieß es: “Selbstlob stinkt! Pass auf, dass du nicht eitel wirst!”. Das war das Konzept der damaligen Zeit. Heute befinden wir uns im anderen Extrem:  Wir befinden uns permanent auf der Suche nach Bestätigung und Likes. Insbesondere in den sozialen Medien. Wir entwickeln uns von einem Extrem ins Andere. Aber genau in der Mitte liegt eigentlich das, was uns wirklich zufrieden macht. Die Balance. 

Chris: Wie unterscheiden wir starke narzisstische Anteile von positiven narzisstischen Anteilen und von Selbstliebe? Wo ist die Abgrenzung?

Dr. Wardetzki: Eine Grenze und Einordnung lässt sich schwer durchführen. Wenn ein Mensch beispielsweise sportlich ist und auf seine Ernährung achtet, kann es zwei Motive geben. Das erste Motiv kann ein narzisstisches Defizit sein, das heißt der Mensch achtet nur auf seine Figur, weil er sich erst dann wertvoll fühlt und darüber Anerkennung bekommt. Dieser Mensch gerät dann auch direkt in Selbstzweifel und Panik, nicht liebenswert zu sein, wenn er an Gewicht zunimmt. 

Das andere Motiv kann aber auch reiner Ausdruck von Selbstliebe sein, da man aus Freude und Liebe zu sich eine gesunde Lebensweise führt und kein konkretes Ziel, wie ein perfektes Aussehen und Bestätigung, anstrebt.  Dieser Mensch bleibt dann auch noch in der Selbstliebe, wenn er an Gewicht zunehmen würde. Eine genaue Grenzziehung ist dennoch schwierig. 

Social Media und Narzissmus

Chris: Um auf die sozialen Medien zurückzukommen: Haben Menschen, die mehr von sich auf Social Media preisgeben, tendenziell höhere narzisstische Anteile? Instagram zum Beispiel dient ja der Selbstdarstellung. 

Dr. Wardetzki: Wie beim Sport stellt sich die Frage, aus welchem Motiv heraus wir handeln? Wenn wir uns im Netz aus reiner Freude heraus präsentieren, ist es ein anderes Motiv als das Streben nach vielen Likes. Fühlt man sich erst durch viele Likes in seinem Selbstwert bestätigt, wäre das ein narzisstischer Anteil. 

Wenn wir etwas tun, um uns selbst aufzuwerten, uns ständig vergleichen, Bestätigung brauchen und uns minderwertiger als andere fühlen, kann man narzisstische Strukturen vermuten. Aus welcher Motivation oder aus welchem Mangel heraus wir etwas tun, ist von unserer Selbsteinschätzung abhängig. 

Wie erkenne ich einen Narzissten oder eine Narzisstin?

Chris: Eine häufige Frage, die ich von meiner Community gestellt bekomme: Wie erkenne ich einen Narzissten/eine Narzisstin oder narzisstischen Züge? Kann ich schon beim Dating Merkmale erkennen, die auf diese Anteile hindeuten? 

Dr. Wardetzki: Die Anteile zu Beginn und eindeutig zu erkennen ist schwierig . Natürlich  merken wir schon im Kontakt, inwieweit ein Mensch nur auf sich selbst bezogen ist oder empathisch und einfühlsam wirkt.  Das lässt sich schon erkennen. Die Problematik liegt darin, dass narzisstische Menschen, sowohl weiblich als auch männlich, sehr gut darin sind, zu verführen.  Sie wirken in ihrer Fassade unglaublich empathisch und zugewandt, sodass man sich sehr angezogen fühlt und das gar nicht erst in Frage stellt. 

Diese extreme Empathie kann sogar schon das erste Warnsignal sein. Natürlich kann dieser Mensch aber auch wirklich einfach empathisch sein. Wenn man weiß und sich eingesteht, dass man sich zu narzisstischen Menschen schnell hingezogen fühlt, kann man vorsichtiger sein, aber die Wahrscheinlichkeit ist dennoch groß, sich einen narzisstischen Partner oder eine narzisstische Partnerin immer wieder zu suchen. 

Narzisstische Menschen wirken meist sehr attraktiv, anziehend und spannend auf ihr Gegenüber. Wenn wir uns immer wieder dabei ertappen, narzisstische Menschen anzuziehen, müssen wir uns selbst fragen, wie viele eigene narzisstische Anteile in uns selbst vorhanden sind und wofür wir das narzisstische Gegenüber brauchen. 

Wenn wir uns eingestehen, dass wir ein narzisstisches Gegenüber brauchen, um uns lebendig und wertvoll zu fühlen, können wir das natürlich auch tun. Mit dem Eingeständnis, dass diese Beziehung oftmals auf Sand gebaut ist. Die Enttäuschung kann dann enorm sein, da eine Beziehung mit narzisstischen Menschen nicht leicht ist. 

Aber auch diese Erfahrung werden wir nicht vermeiden können. Selbst wenn wir schon hundert Enttäuschungen erlebt haben, werde wir die eine weitere auch noch erleben müssen, um zu lernen und zu wachsen. Entscheidend ist die Frage:  “Was kann ich daraus lernen, wenn ich mir immer wieder ein narzisstisches Gegenüber suche?”.

Ziehen Menschen mit geringem Selbstwert Narzissten an?

Chris: Aus meiner Erfahrung ziehen Menschen mit einem geringen Selbstwert immer wieder Narzisst*innen oder Menschen mit hohen narzisstischen Anteilen an.

Dr. Wardetzki: Natürlich, denn darin liegt die Grandiosität, mit der wir unser eigenes Minderwertigkeitsgefühl aufwerten können.

Chris: Den Selbstwert zu stärken ist dann wahrscheinlich die Essenz und Lösung.

Dr. Wardetzki: Menschen mit narzisstischen Anteilen sind meist sehr klug, spannend, haben aufregende Berufe und bringen Lebendigkeit ins Leben. 

Es wird jedoch dann schwierig, wenn es tatsächlich darum geht, eine echte Beziehung zu führen. In narzisstischen Beziehungen ist es oftmals schwer, dass anfängliche Feuerwerk in eine stetige Flamme zu bringen. Beziehung bedeutet eine stetige Flamme und nicht das anfängliche Verliebtsein. In narzisstischen Beziehungen versuchen Menschen das Verliebtsein zu erhalten und glauben, dass “Love Bombing” Liebe sei. Beide Partner glauben, dass Bewunderung und Anerkennung Liebe sei. Das ist natürlich eine Fehlinterpretation, weil Liebe etwas Anderes als Bewunderung und Anerkennung ist.

Narzisstische Beziehungen gleichen einer Achterbahnfahrt, anstatt einer stetigen Flamme. Diese toxischen Strukturen fühlen sich meistens für die Beteiligten sehr anstrengend und schmerzvoll an. 

Wie entfliehe ich einer Beziehung mit einem Narzissten?

Chris: Welche Möglichkeiten gibt es für Betroffene, aus so einer Beziehung herauszukommen?

Dr. Wardetzki: Dies zu verallgemeinern ist schwierig. Nach meiner Erfahrung gibt es viele Möglichkeiten. Ich arbeite hauptsächlich mit Frauen aber für Männer gilt das Gleiche. Auch sie leiden in einer solchen Beziehung und schaffen es nicht, zu gehen. Das ist das Problem. In diesen Momenten hilft es auch niemandem, folgenden Ratschlag zu teilen: “Dann geh doch!”. Das bringt nichts, denn sie hängen an der Beziehung und finden keinen Weg, zu gehen. Dann muss man sich die ehrliche Frage stellen, woran man eigentlich klammert. 

Die Analogie des Märchens Schneewittchen trifft es sehr gut: In der Beziehung hängen sie im Grunde an dem vergifteten Apfel, der schmackhaft und wunderschön ist. Irgendwann ist dieser Apfel vergiftet, sie können jedoch nicht davon loslassen.

Mehr zum Thema findest du hier: Loslassen lernen

Sie hängen ihr Herz an diesen vergifteten Apfel und entwickeln eine tiefe Sehnsucht gegenüber dem Partner oder der Partnerin. Dies betrifft insbesondere Frauen, die sich eigentlich nicht nach einem narzisstischen Partner sehnen, sondern im Kern nach Beziehung und Liebe streben. Aber diese Sehnsucht klammert an der toxischen Beziehung.

Mehr zu dem Thema findest du hier: Toxische Beziehung erkennen (mit Test)

Eine essenzielle Frage ist, ob es wirklich das ist, wonach wir uns eigentlich sehnen und ob wir dies in der Beziehung wirklich bekommen können? Wenn die Antwort lautet : “Nein, das bekomme ich nicht in dieser Beziehung!”, dann muss man sich klar darüber werden, was man wirklich im tiefsten Inneren möchte.  Dieser reflektierte Blick auf die Beziehung ist nach meiner Erfahrung erst dann möglich, wenn wir Abstand haben.

Zum Beispiel kann dies in einer Therapiesituation möglich sein. Dann können sie von Außen und mit Hilfe der Therapeutin oder dem Therapeuten auf die Beziehung blicken und vermutlich feststellen, dass ihnen diese Beziehung schadet.

Mehr zum Thema findest du hier: Was macht eine gute Beziehung aus?

Das Problem ist aber der Moment, wenn sie wieder nach Hause kommen und wieder mit diesem Menschen zusammen sind. Oft wiederholen sich dann die Muster wieder. Deshalb können sich viele Menschen erst dann trennen, wenn es eine räumliche Pause gibt. Wenn der Partner zum Beispiel im im Urlaub oder auf Geschäftsreise ist und wir in der Distanz merken, dass wir diese toxische Beziehung verlassen müssen.

Mehr zum Thema findest du hier: Phasen der Trennung

Wichtig ist, dass Frauen sich nicht verurteilen und entwerten, wenn sie es nicht schaffen zu gehen. Sie müssen lernen Mitgefühl mit sich zu haben, dass sie es in diesem Augenblick nicht schaffen. Dann können sie sich Unterstützung suchen und wieder lernen, der eigenen Wahrnehmung zu trauen und den eigenen Wert wieder aufzubauen. 

Oftmals handelt es sich um Frauen, die schon einen Selbstwert haben, ihn jedoch im Laufe der Beziehung verlieren. Wenn ich meinen Klient*innen die Frage stelle, was sie wollen, wissen sie es oftmals nicht. Es ist jedoch essentiell herauszufinden, was man möchte. 

Schadet die Beziehung mit einem Narzissten meinem Selbstvertrauen?

Chris: Viele Menschen gehen also mit einem normalen oder hohen Selbstvertrauen in eine Beziehung und verlieren ihn dann im Laufe der Beziehung mit einem Narzissten/einer Narzisstin?

Dr. Wardetzki: Unser Selbstwert ist ja nichts Stetiges und Stabiles. In manchen Lebensbereichen ist der Selbstwert hoch, in anderen Bereichen mittel und in anderen niedrig. Was Beziehungen betrifft, ist unser Selbstwert meistens niedrig. Viele Frauen zum Beispiel empfinden sich nicht schön genug, fühlen sich zu dick und erachten sich als nicht liebenswert genug. Das ist ein Glaubenssatz, ein vergifteter Apfel, den sie im Laufe ihres Lebens verinnerlicht haben. 

Wenn Frauen aus dieser inneren Haltung heraus eine Beziehung eingehen, in der sie erstmal “hochgehoben” wurden, fühlen sie sich in ihrem Selbstwert gestärkt. Im Laufe der Zeit wir das Hoch jedoch gedämpft. Es folgt ein stetiges Absinken und die Frauen klammern an dem, was sie einst in ihrem Beziehungshoch erlebt haben anstatt sich ehrlich zu fragen, ob der Partner der richtige an ihrer Seite ist, um wieder gemeinsam zu wachsen. Im Laufe der Zeit verlieren sie nicht nur ihren Selbstwert, sondern auch ihre Kraft und ihre Selbstwahrnehmung. 

Die Frau stellt sich dann selbst in Frage und wird die Schuld in erster Linie bei sich suchen und das Gefühl bekommen, Fehler gemacht zu haben. Dieses Muster kann sich über Jahre ziehen bis vom eigenen Selbstwert nicht mehr viel übrig ist. 

Chris: Es ist oftmals so, dass diese Menschen im Beruf sehr gut sind und gut funktionieren. Wenn sie jedoch nach Hause kommen, finden sie in ihrer Beziehung eine ganz andere Welt vor. 

Dr. Wardetzki: Das ist richtig. Es lässt sich mit dem  Dr. Jekyll und Mr. Hyde-Syndrom vergleichen: Nach außen hin ist alles Fassade und Schein und hinter den vier Wänden in der Beziehung wird eine ganz andere Welt gelebt. 

Nicht nur Männer bauen diese Fassade auf, sondern auch Frauen. Sie zeigen sich nach außen hin stark und selbstbewusst. Zuhause und innerhalb der Beziehung regredieren sie zu einem pubertären, ängstlichen Mädchen. Hier liegt das Problem und diesen kleinen,ängstlichen, pubertären Anteil müssen sie erkennen und integrieren. Erst so lernen sie, zu einer erwachsenen Frau in einer erwachsenen Beziehung zu werden. Das ist eine tolle Entwicklungsmöglichkeit. Aber hierzu braucht man oft einen Sparringspartner.

Chris: In der Therapiestunde lernen und reflektieren sie zwar aber Zuhause fallen sie schnell wieder in die alten Muster.

Dr. Wardetzki: Es ist ein Prozess und eine Entwicklung, die Zeit braucht. Die Muster wurden ja schon im Kindheitsalter in der Familie erlernt.  Sie erkennen, dass das Verhalten des eigenes Partners oder der Partnerin dem Verhalten der Mutter oder des Vaters gleicht. Die Entwertung, die sie vom aktuellen Partner erfahren, haben sie bereits in der Kindheit von den Eltern erfahren. 

Sie kennen diese Muster und ertragen sie, weil sie glauben, dass eine Beziehung so funktioniert und dass ein anderes Verhalten nicht möglich ist. Das sind tief verinnerlichte Glaubenssätze, die sie überwinden müssen, um zu erkennen, dass sie liebenswert sind.

Was sind typische Verhaltensmuster von Narzissten in Beziehungen?

Chris: Wie verhalten sich Narzisst*innen in Beziehungen? Zeigen sie sich auch verletzlich in der Beziehung? Sie versuchen ja diesen Anteil, der sich nicht wertvoll anfühlt, zu überspielen. Erlauben sie sich überhaupt verletzlich zu sein oder verhalten sie sich wie ein bockiges Kind, das seinen Willen nicht bekommt? 

Dr. Wardetzki: Es gibt viele Möglichkeiten. Wenn sie sich emotional zeigen, werden sie dies nicht auf einer erwachsenen Art und Weise tun, sondern in einen Kindermodus schalten. Sie fallen dann zurück in das Verhalten eines fünfjährigen, verlassenen, kleinen Jungen oder zu der verlassenen Vierjährigen, die das Gefühl hat, herum gestoßen und abgelehnt zu werden. Die Emotionalität in der Beziehung ist in der Regel selten erwachsen und das Verhalten meistens überschwänglich und auf ein früheres Alter zurückzuführen.

Sie verfallen dann in eine Kindeswut oder in die Verzweiflung. Wenn ein Mann zum Beispiel verlassen wird, kann es passieren, dass er wie ein kleiner Junge weinend auf dem Boden sitzt und seine Partnerin anfleht, ihn nicht zu verlassen. Dieses Verhalten ist nicht erwachsen. Es wird der Kindmodus aktiviert. Die Frau erkennt den Mann nicht wieder und es entsteht ein Gefühl der Verachtung für den Partner, da sie kein weinendes kleines Kind als Partner möchte. Sie selbst hat auch einen Kinderanteil, der geliebt werden will. Durch einen weinenden kleinen Jungen kann sie nicht geliebt werden. 

Beide Partner*innen haben das gleiche Defizit. Sie suchen im Gegenüber die immer liebende Mutter oder den immer liebenden Vater. Ein Gegenüber, das sie bedingungslos liebt. Wenn zwei Menschen mit dem gleichen Defizit und dem gleichen Wunsch aufeinandertreffen, kann es nicht funktionieren, weil beide nicht fähig sind, das Bedürfnis des Anderen zu erfüllen.

Mehr zum Thema findest du hier: Bin ich beziehungsfähig?

Leider merken die Partner das erst sehr spät, da zu Beginn durch die Fassade etwas anderes suggeriert wurde.  Sie begegnen sich mit Bildern und Projektionen, die sie nicht einhalten können auf Dauer. Schließlich kommt die große Enttäuschung, der Kampf und das Leid in den Beziehungen.

Kindheit und Narzissmus

Chris: Arbeitest du mit deinen Klient*innen die Mutter- und Vaterthemen auf, sodass sie erkennen, dass der/die Partner:in nicht mehr die Mutter oder der Vater ist mit denen sie in Beziehung sind?

Dr. Wardetzki: Wenn es passend ist, dann ja. Es ist jedoch nicht zwingend nötig in die Vergangenheit zu gehen. Man kann damit arbeiten, was man in der Gegenwart vorfindet. Das nennen wir in der Psychologie “Ego States”. Das sind Ich-Anteile, die aus der Vergangenheit übrig geblieben sind. Diese Anteile stammen aus der der Kindheit  oder der Pubertät, aber auch aus dem Erwachsenenalter.

Diese Anteile zeigen sich dann in bestimmten Situationen innerhalb der Beziehungen. Eine Frau hat beispielsweise im frühen Alter die Erfahrung gemacht, verlassen worden zu sein. Die Eltern haben sich getrennt, der Vater verließ die Familie und sie hörte die Schritte und das Klacken der Tür.  Der Vater war plötzlich weg und kam nie wieder. Das ist eine traumatische Erfahrung. Zu dem Zeitpunkt, an dem dieses Kind die Erfahrung macht, war sie vier Jahre alt. 

Diese Vierjährige zeigt sich dann emotional im erwachsenen Ich, wenn sie keine Möglichkeit zur Verarbeitung hatte. Im Erwachsenenalter und in einer späteren Beziehung kann sich diese Verlusterfahrung immer wieder zeigen.

Mehr zum Thema findest du hier: Verlustangst

Wenn der Ehemann das Haus verlässt, kann es sein, dass die Vierjährige wieder hochkommt und Panik bekommt, verlassen zu werden. Die Erwachsene weiß zwar, dass der Mann wiederkommt, die Vierjährige jedoch nicht.

In emotionalen Situationen übernimmt die Vierjährige das Ruder und dann muss der Partner mit dem Kind und nicht der Erwachsenen arbeiten.

Wie sollte ich mich in einer Beziehung mit einem Narzissten verhalten?

Chris: Wenn ich mich in einer solchen Beziehung wiederfinde, was kann ich konkret tun? Wenn wir uns als Opfer fühlen, sind wir natürlich zu einem gewissen Grad auch gleichzeitig Täter*in. Welche Möglichkeiten können wir neben der Therapie und dem Coaching noch wahrnehmen? Hilfestellungen, die wir vor allem auch selbst zuhause in Anspruch nehmen können.

Dr. Wardetzki: Letztendlich ist entscheidend, ehrlich zu sich zu werden und sich einzugestehen, dass die Beziehung nicht gut tut. In dem Moment des Eingeständnisses, konfrontiere ich mich natürlich mit der Angst, dass die Beziehung zu Ende geht. Dann müssen wir uns die Frage stellen: “Bin ich überhaupt bereit, auf diese Beziehung zu verzichten oder bin auf diese Beziehung so sehr angewiesen, dass ich Angst habe, mir das Leid durch die Beziehung einzugestehen”. Dies ist ein Prozess. 

Es ist schwierig, jemandem etwas an dieser Stelle zu raten. Nach meiner Erfahrung haben die Frauen als auch die Männer diese Erkenntnis bereits. Die Angst, sich dies einzugestehen und in die Veränderung zu gehen, ist zu groß.

Ich kann einem Menschen nur dann helfen, wenn mich dieser um Hilfe bittet und bereit ist, an sich zu arbeiten. Erst dann kann ich mit dieser Person zusammen erarbeiten, was die eigentlichen Bedürfnisse und Wünsche sind. 

Eine Übung, die ich empfehlen kann: Stell dir vor, dass neben dir deine beste Freundin oder ein Teil von dir steht und mit dir gemeinsam auf deine Beziehung blickt. Dieser Teil, meistens der erwachsene Teil, wird dir sagen, dass die Beziehung dir in dieser Form nicht gut tut. Dass es zu einem gewissen Grad sinnlos ist, sie auf dieser Ebeene fortzuführen, da du nur Anfeindung und Vorwürfe bekommst. Du bemühst dich zwar aber dass, was du dir wirklich wünschst, wirst du in dieser Beziehung nicht bekommen!

Dieser gesunde Teil in dir wird dem anderen Teil, der noch verzweifelt an der Beziehung hängt, raten, zu gehen. Diese Form des Gesprächs mit deinen Anteilen kann eine Möglichkeit zur Selbsthilfe sein.

Eine andere Möglichkeit ist es, einen Brief zu schreiben. Schreibe einen Brief an dich selbst und frage dich: “Hallo XY, ich nehme ein Verhalten wahr, dass dir nicht gut tut. Wieso tust du das? Kannst du dir vorstellen, es anders zu machen?” 

Man kann sich selbst unterstützen, indem man dem erwachsenen Teil zuhört. Unterstützung kann jedoch auch von Außen kommen in Form einer Therapie. Ein Freund oder eine Freundin kann dir ebenfalls Hilfe anbieten. Hier ist Vorsicht geboten, denn Menschen verteilen gerne Ratschläge, die in der Realität für dich nicht umsetzbar sind: Wenn dir jemand rät zu gehen, wirst du das rational wissen und dennoch emotional nicht fähig sein, die Beziehung zu verlassen. Ein Ratschlag nützt in diesem Falle nichts. 

Wichtig ist, Verständnis zu zeigen und dem/der Betroffenen die Frage zu stellen, was er oder sie braucht, um aus dem Leid herauszukommen. Die beste Hilfe ist nicht die, die wir geben, sondern die wir erfragen. 

Kann die Partnerschaft mit einem Narzissten funktionieren?

Chris: Kann sich eine narzisstische Beziehung überhaupt in etwas Fruchtbares transformieren oder sollte ich diese Illusion aufgeben?

Dr. Wardetzki: Es ist möglich, wenn beide Partner bereit sind, an sich zu arbeiten. Es funktioniert nicht, wenn nur eine Person dies tut.  Es ist eine Illusion, dass nur eine Person die Beziehung oder den/die Partner:in retten kann. Man kann keinen Menschen retten.

Mehr zum Thema findest du hier: Beziehung retten

Wir können jedoch versuchen mit dem Partner oder der Partnerin eine gemeinsame Entwicklung anzustreben. Das nennt man CO-Evolution. Nur dann kann es gelingen. Dazu muss jeder seinen eigenen Teil beitragen und sich die Frage stellen, wo wir in unserer Beziehung hinwollen, wie unsere Beziehung aussehen soll und welche Kompromisse wir bereit sind, einzugehen. Nach meiner Erfahrung kann eine Entwicklung in der Beziehung nur gemeinsam geschehen. 

Eine Entwicklung allein anzustreben, ist dann sinnvoll, wenn wir erkennen, dass die Beziehung uns nicht dient und wir uns aus dieser  Beziehung befreien wollen. Wir können dann lernen, die eigenen Kräfte zu mobilisieren. Es ist wichtig, für sich herauszufinden, wonach man in einer Beziehung sucht, welche Bedürfnisse man hat und rechtzeitig zugehen, wenn die aktuelle Beziehung uns das nicht geben kann.

Wo finde ich Hilfe?

Chris: Wenn wir Hilfe brauchen und explizit deine Hilfe in Anspruch nehmen möchten, wie können wir dich kontaktieren? 

Dr. Wardetzki: Ich biete aktuell keine Therapie an, weil ich sehr viel unterwegs bin und den oder die Klient*in nicht kontinuierlich in der Therapie begleiten kann. Es gibt jedoch andere Möglichkeiten, Therapeut*innen im Bereich Narzissmus zu kontaktieren. Es ist nicht zwingend nötig und entscheidend, ob ein/e Therapeut*in Narzissmus als Spezialgebiet angibt. Es geht in der Therapie um die innere Entwicklung.

Viel wichtiger ist die Frage, ob ich ein gutes Verhältnis mit meiner oder meinem Therapeut*in habe und das Gefühl bekomme, verstanden zu werden. Und ob ich dem oder der Therapeut*in vertraue und in der Lage bin, mich ehrlich zu öffnen. Das ist eine viel wichtigere Basis.

Um herauszufinden, welche Therapeut*innen in der eigenen Region verfügbar sind,  kann man die Koordinationsstelle der Kassenärztlichen Vereinigung aufsuchen. Hier werden Adressen und  die Schwerpunkte der Therapeut*innen aufgelistet. Der PID (Psychotherapie-Informationsdienst) ist ebenfalls eine gute Anlaufstelle.


Ich empfehle bei der Therapeut*innensuche diese drei Stellen:

Es gibt auch gute Gestalttherapeut*innen, die aber nicht immer von der Kasse gezahlt werden. Das GIK (Gestalttherapie Institut Köln) ist hier eine gute Anlaufstelle.

Eine weitere Möglichkeit ist mein Online-Seminar “Raus aus der Narzissmus-Falle!”.  Hier findest du Tipps und Wege, wie du aus einer narzisstischen Beziehung herauskommst.

Chris: Liebe Bärbel, vielen Dank für das Interview. Ich habe mich von Herzen gefreut, dich als Gast zu haben. Ich danke dir für deine Zeit. Wir konnten sehr viel lernen.

Dr. Wardetzki: Herzlichen Dank für die Einladung. Es hat mich gefreut, mit euch über Narzissmus zu sprechen. 

Dr. Bärbel Wardetzkis Bücher:

  • Eitle Liebe
  • Loslassen und dranbleiben
  • Und das soll Liebe sein?
  • Weiblicher Narzissmus
Über den Autor

Über den Autor

Chris Bloom ist Systemischer Therapeut, Autor, Podcaster und Speaker. Nach einem Studium der Gesundheits­ökonomie (M.Sc.) arbeitete Chris im Gesundheits­bereich. Seit 2017 ist Chris als Coach tätig und hat sich auf die Themen Selbstvertrauen, Selbstliebe und Selbstkenntnis spezialisiert.

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Chris Bloom

Ich bin Chris Bloom – Systemischer Therapeut, Gesundheitsökonom (M. Sc.), Autor, Podcaster, Speaker und Coach. Unsere Gedanken und die richtige innere Haltung empowern uns, unser Leben nach unseren Wünschen zu kreieren. Das Fundament hierfür bilden die drei Säulen: Selbstvertrauen, Selbstliebe und Selbstkenntnis. Diese sind für uns individuell erlernbar – wie das Einmaleins in der Schule. Ich helfe dir dabei, dieses Fundament zu schaffen – damit du das Leben leben kannst, das du dir wünscht. Infos zu meiner Vita und Vision: Wer ist Chris Bloom?

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