Nähe-Distanz-Problem in Beziehungen: Symptome und Tipps

von | Stand: 10. Mrz 2023

Entdecke in diesem Beitrag wertvolle Tipps für mehr Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz in deiner Beziehung – und erfahre, wie du ein Nähe-Distanz-Problem in Beziehungen erkennst.

30-Sekunden Zusammenfassung

  • Wenn die Bedürfnisse nach Nähe und Distanz in einer Beziehung nicht im Gleichgewicht sind, kann es zu Konflikten, Unzufriedenheit und möglicherweise zur Trennung kommen.
  • Ein Beziehungspartner kann sich beispielsweise eingeengt fühlen und mehr Freiraum benötigen als das Gegenüber.
  • Typisch für das Nähe-Distanz-Problem in Beziehungen sind schnell schwankende Bedürfnisse nach Nähe oder Distanz, Streit, Konflikte um Freiraum, unklare Kommunikation und die Vermeidung von Intimität.
  • Laut Wissenschaft benötigen Menschen sowohl Nähe als auch Distanz in einer glücklichen Partnerschaft.
  • Menschliche Nähe ist ein Grundbedürfnis wie Schlafen. Ein Gefühl von Zugehörigkeit ist wichtig für die psychische Gesundheit.
  • Distanz ist jedoch auch wichtig, um selbstbestimmt zu bleiben und sich außerhalb der Partnerschaft weiterzuentwickeln.
  • Eine offene Kommunikation über Bedürfnisse hinsichtlich Nähe und Distanz hilft dabei, eine gesunde Balance zu schaffen.

Was ist ein Nähe-Distanz-Problem?

In einer Beziehung geht es darum, das richtige Maß an Nähe und Distanz zu finden.

Einerseits willst du dich geborgen und geliebt fühlen, andererseits brauchst du deine Freiheit. Viele Menschen kennen diesen inneren Konflikt.

Wenn die Bedürfnisse nach Nähe und Distanz in einer Beziehung nicht im Gleichgewicht sind, kann es zu Konflikten kommen.

Ein:e Beziehungspartner:in kann sich beispielsweise eingeengt fühlen und mehr Freiraum benötigen, während sich das Gegenüber mehr Nähe und emotionalen Support wünscht.

Wenn diese Bedürfnisse untereinander nicht ausbalanciert und kommuniziert werden, kommt es zu Missverständnissen, Unzufriedenheit und schließlich zu Streitigkeiten in Partnerschaften.

Die Ursachen für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Partner:innen nach Nähe liegen zum Beispiel in

  • Rollenerwartungen an Männer und Frauen,
  • dem jeweiligen Beziehungstypen,
  • vergangenen Traumata in der Kindheit,
  • vorherigen Beziehungserfahrungen,
  • Stress im Alltag,
  • oder Persönlichkeitsstörungen wie Narzissmus.

Es ist wichtig zu verstehen, dass Nähe und Distanz zwei Seiten einer Medaille sind und dass beide notwendig sind, um eine gesunde und erfüllte Beziehung aufrechtzuerhalten. 

Was sagt die Wissenschaft? 

Eine Dysbalance zwischen den Bedürfnissen nach Nähe und Distanz könnte laut Studien schon in den Geschlechterunterschieden liegen:

Männer haben tendenziell ein größeres Bedürfnis nach Freiheit und Distanz, wohingegen Frauen sich tendenziell mehr Nähe in Partnerschaften wünschen.

Dies hängt auch mit den unterschiedlichen Rollenerwartungen an Männer und Frauen in unserer Gesellschaft zusammen: Der “starke Mann” und die “fürsorgliche Frau”.

Außerdem bedingt laut Wissenschaft auch der Beziehungstyp, wie viel Nähe sich Partner:innen in Liebesbeziehungen wünschen:

  • Sicher gebundene Personen bevorzugen ein ausgewogenes Verhältnis von Nähe und Distanz: Sie wünschen sich sowohl eine große emotionale Offenheit und Nähe als auch ein gesundes Maß an Unabhängigkeit.
  • Unsicher-vermeidende Beziehungstypen haben ein vergleichsweise großes Bedürfnis nach Distanz und Unabhängigkeit. Beispielsweise ziehen sie klare, rigide Grenzen, was körperliche oder emotionale Nähe angeht. Menschen dieses Typs werden auch als Bindungsängstliche bezeichnet.

Lesetipp: Entdecke hier mehr zu allen Beziehungstypen und absolviere einen Selbsttest.

Nähe als menschliches Bedürfnis

Eine der wichtigsten Theorien zum Thema des Nähe-Distanz-Problems in Beziehungen ist die sogenannte “belongingness hypothesis” (Verbundenheits-Hypothese) der amerikanischen Psychologen Baumeister und Leary.

Nach dieser Theorie ist das Bedürfnis nach sozialer Verbundenheit und Zugehörigkeit ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, das bei allen Menschen vorhanden ist. 

Laut der Hypothese hat das Bedürfnis nach Zugehörigkeit dieselbe Priorität wie Grundbedürfnisse wie Essen, Wasser und Schlaf. 

Ein Mangel an Zugehörigkeitsgefühl kann zu chronischer Unzufriedenheit, Einsamkeit, Depression oder Angstzuständen führen. 

Dieses Mangelgefühl entsteht im Nähe-Distanz-Problem in Beziehungen vor allem durch eine schiefe Bedürfnislage zwischen den Partner:innen.

Psycholog:innen fanden heraus: Je ähnlicher die Bedürfnisse der Partner:innen nach Nähe sind, desto stabiler ist eine Liebesbeziehung.

Paare bleiben also eher zusammen, wenn sie ein Gleichgewicht zwischen ihren Bedürfnissen nach Nähe und Distanz herstellen. Die Mischung macht’s.

Ein erster Lösungsansatz für das Nähe-Distanz-Problem ist ein Rückzugsraum in Beziehungen. Dieser ermöglicht es den Partner:innen, sowohl Nähe, als auch Distanz zu erfahren – laut Wissenschaft unabdingbar für eine glückliche Partnerschaft. 

Symptome eines Nähe-Distanz-Problems

Das Nähe-Distanz-Problem in Partnerschaften lässt sich an folgenden Verhaltensmustern und Anzeichen erkennen:

Schwankende Nähebedürfnisse

Von jetzt auf gleich kippt die Bedürfnislage eines der Partner:innen und das Gegenüber hat Schwierigkeiten, sich an die neuen Bedürfnisse nach Nähe oder Distanz anzupassen. 

Als Gegenüber fühlst du dich beispielsweise vor den Kopf gestoßen, wenn dein:e Partner:in in einem tiefen Gespräch plötzlich dicht macht. Dies ist ein häufiger Ausgangspunkt für Konflikte.

Vermeidung von Intimität

Ein häufiges Symptom der Bedürfnisschieflage in Liebesbeziehungen ist die Vermeidung von körperlicher und/oder emotionaler Nähe.

So spiegelt sich das Nähe-Distanz-Problem nicht selten auch in der Sexualität wider: Er oder sie zieht sich zurück und grenzt sich beispielsweise so stark ab, dass keine Zärtlichkeit mehr möglich ist.

Kontrollverhalten

Wenn das Bedürfnis nach Nähe bei einem der Partner:innen überwiegt, führt das zu klammerndem, verlustängstlichem Verhalten.

Beispielsweise ist er oder sie eifersüchtig, wenn du allein etwas mit deinen Freund:innen unternimmst.

Mangel an Kommunikation

Die Partner:innen reden kaum miteinander und teilen ihre Gedanken und Gefühle nicht. Es herrscht dicke Luft, aber den Elefanten im Raum sprechen beide Seiten nicht an. 

Anders gesagt: Die unterschiedlichen Bedürfnisse nach Nähe oder Distanz werden nicht klar kommuniziert. Es entsteht ein unausgesprochenes Ungleichgewicht zwischen Nähe und Distanz, das in regelmäßigen Abständen wiederkehrende Konflikte nach sich zieht.

Probleme beim Abschalten und Entspannen

Eine oder einer der Partner:innen kann Schwierigkeiten haben, sich in der Gegenwart des Anderen zu entspannen und innere Ruhe zu finden.

Ein möglicher Grund: Er oder sie kann das Bedürfnis nach Freiraum und “Luft zum Atmen” nicht klar kommunizieren.

Fehlende Empathie

Wenn es Partner:innen schwer fällt, Mitgefühl und Verständnis zu zeigen, kann das ein Nähe-Distanz-Problem verstärken.

Beispiel: Dein Gegenüber ist schwer zugänglich für deine Gefühle und reagiert nicht auf deine Bedürfnisse. Du ziehst dich zurück und um deine Bedürfnisse nach Nähe entsteht ein Konflikt.

Konflikte um Freiraum in der Beziehung

Die Partner:innen können Konflikte bezüglich Zeit- und Raumgestaltung haben, was zu Spannungen und Distanz in der Beziehung führen kann. 

Beispiel: Ein:e Partner:in möchte gerne Zeit für sich selbst haben, während der oder die Andere mehr Zeit zu zweit wünscht.

Unzufriedenheit 

Eine oder beide Partner:innen fühlen sich chronisch unzufrieden und unerfüllt in der Beziehung, weil sie entweder zu viel oder zu wenig Nähe erleben.

Das Nähe-Distanz-Problem führt zu Vertrauensproblemen der Beziehungspartner:innen, Konflikten innerhalb der Paarbeziehung, einem emotionalen Abkühlen und möglicherweise zum Ende der Beziehung.

Nähe-Distanz-Problem lösen: 4 Tipps

Womöglich befindest du dich in einer Beziehung, in der du und dein:e Partner:in unterschiedliche oder schwankende Nähe-Bedürfnisse haben.

Sowohl Nähe als auch Distanz sind wichtig in einer Beziehung – die Balance ist entscheidend. Die Herausforderung besteht darin, gemeinsam immer wieder aufs Neue das richtige Maß aus Nähe und Distanz auszuloten.

Die gute Nachricht: Es gibt hilfreiche Tipps zur Lösung des Nähe-Distanz Problems. Um eine mögliche Dysbalance zu lösen, helfen Selbsterkenntnis, Kommunikation, gesunde Grenzen und das Klären der Beziehungserwartungen.

Selbsterkenntnis

Um ein Nähe-Distanz-Problem in eurer Beziehung zu lösen, musst du dich selbst kennen und verstehen.

Alles beginnt damit,  dass du deine Bedürfnisse und Wünsche kennst. Ein wertvolles Selbstfindungs-Tool ist beispielsweise Journaling. Schreibe dir regelmäßig auf, in welchen Situationen dein “Bedürfnispendel” von Nähe auf Distanz umschlägt oder andersherum.

Dadurch entwickelst du mehr Bewusstsein über deine Persönlichkeitsstruktur beziehungsweise deinen Beziehungstyp.

Wenn du dich selbst besser verstehst, kannst du deine Bedürfnisse einerseits besser gegenüber anderen kommunizieren. Andererseits fällt es dir leichter, Verständnis für die Bedürfnisse deines Gegenübers aufzubringen.

Kommunikation und Empathie

Ganz nach dem Motto “Übung macht den Meister” können Beziehungspartner:innen lernen, sowohl die eigenen Nähe-Distanz-Bedürfnisse zu kommunizieren als auch die Wünsche des Partners oder der Partnerin im Blick zu behalten.

Gegenseitiges Verständnis (Empathie) ist laut Psycholog:innen ein wichtiger Schlüssel, um die Bedürfnisse langfristig besser auszubalancieren – und so das Nähe-Distanz Problem zu lösen. 

Versuche, deinem Gegenüber zuzuhören und dich in seine oder ihre Lage zu versetzen. Je mehr Empathie du dir selbst und deinem Gegenüber entgegenbringst, desto besser wirst du die Bedürfnisse zwischen Nähe und Distanz in der Beziehung ausbalancieren können.

Tipp: Entdecke die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation nach M. Rosenberg, die euch bei einem möglichst konstruktiven Austausch unterstützen.

Grenzen setzen

Beide Beziehungspartner:innen müssen Grenzen setzen, um ein gesundes Gleichgewicht zu schaffen. Das gilt insbesondere für Beziehungen mit einem Nähe-Distanz-Problem. Grenzen schaffen Klarheit sowie Sicherheit und tragen somit zu einer Entspannung bei.

Sie sind ein wichtiges Instrument, um in einer Beziehung mit Nähe-Distanz-Problem die notwendige Balance zu schaffen.

Wenn du beispielsweise eher der bindungsängstliche Typ bist und viel Freiraum brauchst, schaffe dir feste zeitliche Räume nur für dich. Das können Verabredungen und Hobbies außerhalb deiner Partnerschaft sein – oder sogar ein Urlaub allein.

Lerne, “Nein zu sagen”. Dabei ist es wichtig, kein starres Verhaltensmuster zu entwickeln, sondern immer wieder neu zu überprüfen, wie viel Zeit du für dich selbst benötigst.

Erwartungen klären

Du musst wissen, was du willst und was dich glücklich macht. Sei aber auch bereit, die Bedürfnisse deines Partners oder deiner Partnerin zu akzeptieren.

Erkundige dich, was dein:e Partner:in braucht. Gleiche deine Vorstellungen mit der Realität ab. Zum einen bringst du deinem Gegenüber dadurch Respekt entgegen, zum anderen kriegst du deinen Kopf frei und löst mögliche falsche Erwartungen auf

Wenn ihr euch gegenseitig respektiert und eure Beziehungserwartungen klärt, kann eure Beziehung stabil bleiben.

Fazit

Wie ein Pendel schwingt das Verhältnis des Nähe- und Distanz-Bedürfnisses in Beziehungen hin und her.

Es ist ein echter Balanceakt, bei dem sich Partner:innen manchmal zu nah und manchmal zu fern fühlen – ein typisches Anzeichen des Nähe-Distanz-Problems.

Doch wie bei jedem Pendel, das sich ausgleicht, kann auch das Verhältnis von Nähe und Distanz harmonisch werden: Es ist an deinem Gegenüber und dir, gemeinsam die Schwingungen zu kontrollieren und eine stabile Balance zu finden.

Menschen suchen instinktiv Nähe und Verbindung. Menschen benötigen jedoch auch Freiraum und Distanz, um sich unabhängig und individuell zu entwickeln. Es geht also darum, einen Mittelweg zu finden, der sowohl für dich als auch für deine Beziehung gesund ist.

Kommunikation und Empathie sind wichtige Werkzeuge, um das Verhältnis von Nähe und Distanz ins Gleichgewicht zu bringen.

Nimm dir bewusst Zeit, um die Perspektiven und Bedürfnisse des Gegenübers zu verstehen. Dadurch kannst du eine stärkere Verbindung aufbauen, die auf Wertschätzung, Respekt und Verständnis basiert.
Finde deine persönliche, ideale Balance und pflege sie gemeinsam mit deinem Partner oder deiner Partnerin.

Über den Autor

Über den Autor

Chris Bloom ist Systemischer Therapeut, Autor, Podcaster und Speaker. Nach einem Studium der Gesundheits­ökonomie (M.Sc.) arbeitete Chris im Gesundheits­bereich. Seit 2017 ist Chris als Coach tätig und hat sich auf die Themen Selbstvertrauen, Selbstliebe und Selbstkenntnis spezialisiert.

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Chris Bloom

Ich bin Chris Bloom – Systemischer Therapeut, Gesundheitsökonom (M. Sc.), Autor, Podcaster, Speaker und Coach. Unsere Gedanken und die richtige innere Haltung empowern uns, unser Leben nach unseren Wünschen zu kreieren. Das Fundament hierfür bilden die drei Säulen: Selbstvertrauen, Selbstliebe und Selbstkenntnis. Diese sind für uns individuell erlernbar – wie das Einmaleins in der Schule. Ich helfe dir dabei, dieses Fundament zu schaffen – damit du das Leben leben kannst, das du dir wünscht. Infos zu meiner Vita und Vision: Wer ist Chris Bloom?

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